Investieren mit Selma – der Testbericht

Das Zürcher Start-up Selma möchte persönliche Investment-Beratung bieten, die sonst nur Menschen mit sehr viel Geld erhalten. Ab 2000 Franken geht's los. Alles mobile und vom Sofa aus.
Selma stellt jeder Nutzerin und jedem Nutzer ein eigenes Portfolio aus verschiedensten ETFs zusammen, welches zur Risikobereitschaft und der finanziellen Situation jedes Einzelnen passt. Das unterscheidet sie von einem Robo-Adviser, der ein Portfolio lediglich nach dem Risikoprofil erstellt. Um das persönliche Portfolio selektieren zu können, setzt Selma auf ein umfassendes und detailliertes Onboarding.
Onboarding
Durch den Onboarding-Prozess wird man vom Chatbot Selma geführt. Selma möchte viel wissen zur persönlichen finanziellen Situation: Wie viel Geld man investieren möchte und welchen Zeithorizont man dabei verfolgt, wie viel Geld auf dem Sparkonto liegt und ob man einen Notgroschen auf der Seite hat, ob bald grössere Investitionen, wie ein Immobilienkauf, anstehen und ob man bereits sonst wo Geld investiert hat.
All diese Angaben sind wichtig, um das persönliche Portfolio zusammenstellen zu können. Selma behauptet beispielsweise, dass sie bei gleichen finanziellen Voraussetzungen beim Portfolio einer Person kurz vor der Pension andere Schwerpunkte setzt, als wenn die Person mitten im Berufsleben steht.

Leider kann der Onboarding-Dialog mit dem Bot das Vertrauen nicht ganz etablieren, dass sie diese Daten wirklich lediglich für das Zusammenstellen des persönlichen Portfolios brauchen und nicht aus Daten-Gier. Hier hat Selma definitiv Kommunikationsbedarf.
Nachdem Selma alle relevanten Informationen für das persönliche Portfolio verarbeitet hat, wird ein Konto bei der Saxo Bank Schweiz eröffnet. Die Identifizierung und Authentifizierung geschieht über einen Video-Call eines externen Dienstleisters. Ein paar Selfies machen und ein paar mal sagen «Ja ich will», dann wird das Konto eröffnet und man darf sein Geld einzahlen.
Gebühren
Selma ist sehr transparent, was die Kosten angeht. Auf der Webseite befindet sich sogar ein Gebührenrechner. Bei einer Investitionssumme von unter 50’000 Franken betragen die Gebühren 0.68%. Darin enthalten sind die Produktkosten bei Kauf und Verkauf von ETF-Anteilen, die Stempelsteuer auf den Transaktionen und Wechselkurszuschläge.
App
Das Design- und Entwicklungsteam von Selma ist in Finnland beheimatet und das merkt man der App an: Sie funktioniert tadellos, sieht jedoch stark unterkühlt aus und ist an Emotionslosigkeit kaum zu überbieten. Man könnte meinen als Head of Product wurde Kimi Räikkönen engagiert.
Tab Home
Unter Home findet man die Konto-Übersicht: Wie viel man einbezahlt hat, die Entwicklung und der aktuelle Wert des Portfolios. Alles gleich klein, buchhalterisch, nüchtern. Nicht mal ob das Portfolio im Plus oder Minus ist, wird farbig vermerkt. Der Link zur aktuellen Entwicklung des Portfolios ist kaum sichtbar ausgezeichnet. Zur Steigerung des Customer-Lifetime-Value wird man dafür umso prominenter darauf hingewiesen, ein Säule 3a Konto zu eröffnen.

Tab Portfolio
Im Tab Portfolio wird es für Selma-Verhältnisse richtig aufregend: Eine grafische Kurve visualisiert die Entwicklung des Portfolios über die letzten Monate bzw. seit Eröffnung.
Zu erwähnen sind die zusätzlichen Informationen, welche über das Info-Icon oben rechts aufgerufen werden können. Diese erhalten verständliche Erklärungen zu Begriffen, wie zeitgewichtete Rendite und warum die Entwicklung eines Portfolios positiv sein kann, obwohl ein Verlust ausgewiesen wird. Tolle Finanzbildung!

Im Abschnitt Statistik werden die wichtigsten Eckwerte des Portfolios ausgewiesen. Transparent wird das Total der Gebühren ausgewiesen, welche man an Selma bezahlt hat. Auch hier findet man über das Info-Icon oben rechts gut verständliche Erklärungen zu den Begriffen.

Der letzte Abschnitt ist den Anlagen gewidmet. Hier wird es nun richtig spannend: Aufgelistet sind alle Kategorien, aus welchen sich das persönliche Portfolio zusammensetzt. Klickt man auf eine Kategorie, gelangt man zur Übersicht der ETFs, welche sich in der Kategorie befinden. Klickt man weiter auf einen einzelnen ETF wird ersichtlich, mit welchem Gesamtwert man darin investiert ist, die Performance, wie viele Anteile man hält und welcher Durchschnittspreis bezahlt wurde.
Leider fehlt eine Visualisierung wie das Portfolio aus den Kategorien und den ETFs prozentual zusammengesetzt ist. Spannend wäre auch zu sehen, wie sich die Zusammensetzung des Portfolios zeitlich verändert hat.

Tab Log
Der Log ist eine schlanke Timeline aller Bewegungen im Portfolio. Hier sind Einzahlungen, Käufe und Verkäufe von ETF-Anteilen, Gebührenzahlungen und Dividendenausschüttungen aufgelistet.

Tab Konten
Neben dem Gesamtwert der Anlagen sind hier die Kontoangaben des eigenen Saxo Bank-Kontos inkl. IBAN ersichtlich.

Fazit
Selma ist eine solide und zeitgemässe Lösung, um sein Geld in ein ausgewogenes und auf die persönlichen Verhältnisse zugeschnittenes Portfolio von ETFs zu investieren. Die Transparenz von Selma was Gebühren angeht, ist bemerkenswert.
Positiv ist auch, dass es jederzeit möglich ist mit Selma Kontakt aufzunehmen. Ihre Reaktionszeit ist äusserst kurz. Man erhält dann persönliche Beratung – nix Bot – wie man beispielsweise eine grössere Summe investieren soll, um ein Dollar-Cost-Averaging zu erreichen.
Die App an sich macht leider nicht viel Lust, sie zu öffnen, um mehr als ein nüchternes Update zur aktuellen Performance zu erhalten. Das ist schade, denn die Daten wären verfügbar, man müsste sie nur noch ansprechend visualisieren. Vielleicht sollte der nächste Product-Vision-Workshop in der Sauna durchgeführt werden.